Bericht zum Gasshuku Lilleshall

Von Oliver Sprinz

Der zweite Gasshuku in 2006 der KSK-Academy fand dieses Mal in Lilleshall, dem National Sports Center in England statt.

Das Anwesen des National Sports Center war 1831 erbaut worden und diente der Familie des Duke of Sutherland als Jagdschloss und Familiensitz. Zwischenzeitlich wurde das Anwesen zu einer der Top Trainingsstätten in England und es ist besser bekannt unter dem Namen Lilleshall National Centre of Excellence. Man kann es auch mit den hier in Deutschland bekannten Bundesleistungszentren vergleichen, da es optimale Trainingsbedingungen für Topathleten bietet.

Lilleshall

Eingangstor von Lilleshall

Deutschland wurde vertreten durch Sensei Pascal Petrella mit seiner Frau Jasmine sowie Sohnemann Christopher, Gerhard Scheuriker, Oliver Sprinz, Sandra Wangler, Petra Gilgin.

KSK-Deutschland vertreten durch: Sandra Wangler, 
Petra Gilgin,Sensei Pascal Petrella, Oliver Sprinz
und Gerhard Scheuriker

Am Flughafen Basel: Die Stimmung ist sehr gut. 
Sensei Pascal mit Sohn Christopher, Oliver und Gerhard

Doch bevor wir in Lilleshall ankamen, galt es noch, ein paar wirklich kleinere Hürden zu nehmen :-)

Gemeinsam trafen wir uns alle am Checkin-Counter von Easyjet, wo es zu einer kleinen Änderung der Gepäckbedingungen kam, da die als Handgepäck deklarierten Trolleys nicht als solche mit an Bord genommen werden durften, sondern als Fluggepäck aufgegeben werden mussten. Dies hatte dann zum Nachteil, dass Sensei Pascal schlappe 75,- Euro nachbezahlen musste, da er nun mehr als drei erlaubte Gepäckstücke hatte und weit über den erlaubten 20kg Gepäck lag.

Die Maschine startete recht pünktlich und der Flug über den Kanal verlief, abgesehen von einigen sehr heftigen Turbulenzen vor der Landung in Liverpool John Lennon Airport, recht ruhig. Während vermutlich alle Passagiere bei den Turbulenzen mehr oder weniger intensive Stoßgebete aussprachen, fand Little Christopher diese Turbulenzen als reines Abenteuer und war hellauf begeistert davon. Petra hingegen war davon in keinster Weise angetan und freundete sich sehr eng mit der Brechtüte an.

Nach der Landung fragte Christopher Petra, ob sie schwanger sei, da sie ja hatte brechen müssen... ja ja...

Die Landung und das Auschecken verliefen problemlos, Sensei Pascal gelangte diesmal absolut ohne Schwierigkeiten und mit allen Koffern durch die Sicherheitszonen.

Während Jasmine und Christopher von Ihrem Onkel abgeholt wurden, fuhren wir fünf Karatekas mit dem Auto nach Lilleshall. Gerhard hatte von Deutschland aus ein Fahrzeug angemietet, ein Vauxhall (= Opel) Zafira, allerdings mit der für uns Festlandbewohner ungewohnten Rechtssteuerung. Aus Kostengründen waren als Fahrer Gerhard und Pascal eingetragen. Mir blieb es diesmal, Gott sei Dank erspart, Auto zu fahren.

Diese Koffer müssen alle in den kleinen Kofferraum

Zunächst etwas holprig ging es dann los, und immer schön links halten. Am Kreisverkehr links raus, die Ausfahrten auf den Motorways sind auch links, und rechts wird überholt. Eine doch recht ungewöhnliche Situation, mal auf der "Ura"-Seite ein Auto zu fahren.

Gerhard... "die Ruhe selbst" ...

... oder doch nicht?

Nach einiger Zeit hatte sich Gerhard an die Ura-Seite gewöhnt und gegen 21:00 Uhr erreichten wir dann wohlbehalten das Sportscenter. Dieses befand sich auf dem Anwesen der ehemaligen Jagdresidenz des Duke of Southampton. Sensei Pascal ging gleich zu einem geladenen Dinner mit seinen Shihankai Kollegen und dem Vorstand der English Shotokan Academy. Wir machten uns in Lilleshall auf Entdeckungsreise und speisten bei einem Inder.

Das Training:

Pünktlich begann am Samstagmorgen um 09:30 Uhr das Training. Nach Vorstellung der Mitglieder des Shihankai und des neu gewählten Präsidiums und der insgesamt 85 Karatekas aus den Nationen Schweden, Finnland, Belgien, Frankreich, Griechenland, Serbien, Portugal, Irland, Schottland, England und Deutschland begann dann das erste von insgesamt vier Trainingseinheiten.

Delegation aus Finnland

Delegation aus Schweden

Delegation aus Schottland

Delegation aus England

Erste Einheit: Sensei Pascal Petrella (Deutschland)

Das erste Training wurde von Sensei Pascal Petrella abgehalten. Sensei Pascal stellte seine Einheit unter das Zeichen der Instruktoren-Ausbildung, es war diesmal kein Power-Training im üblichen bekannten Stil, sondern eher eine Trainingseinheit, die aufzeigen soll, wie ich etwas lernen kann, um es entsprechend weiter vermitteln zu können. Er erinnerte uns daran, dass wir als Dan-Träger hier im KSKA auch Instruktoren seien und daher auch verstehen müssten, wie Techniken und Prinzipien von Kase Sensei weitergegeben werden können und wir daher auch die Techniken dementsprechend korrekt ausführen müssten. Ich denke, mit dieser angebrachten Aussage rüttelte er den einen oder anderen Karateka wach.

Sensei Pascal beim Beginn seiner Trainingseinheit

Taikyoku Shodan

Thema seiner Trainingseinheit war die Verwurzelung des Körpers, die Bauchatmung und der Energietransport durch die Bauchatmung. Dazu teilte er seine Einheit in zwei Abschnitte. Der erste Teil des Trainings beschäftigte sich mit der Verwurzelung sowie der inneren Stabilität und des Gleichgewichts innerhalb einer Position unter Einsatz der Energie des Tanden. Ziel war es, fest und stabil zu stehen, ohne zu verkrampfen, um locker genug für die nächste Technik zu sein. Um dieses Gefühl der Stabilität und doch entspannter Haltung zu bekommen, lies Pascal uns erst die Taikyoku Shodan laufen. Da wir alle diese Kata beherrschen, konnten wir uns auf die innere Stabilität und die entspannte Haltung besser konzentrieren. Ziel war das Erreichen eines starken kurzen Kime-Punktes am Ende der Technik, dann direkt danach totale Entspannung um die nächste Technik schnell ausführen zu können.

Weiter testeten wir dann die eigene Stabilität zusammen mit Partner, wobei der eine Partner im Fudo-Dachi stand und der andere Partner diese Position durch Druck- und Zugbewegungen überprüfte.

Sensei Pascal testet die Stellung eines Karateka aus Schweden

Gespannt lauschten die Teilnehmer den Ausführungen von Sensei Pascal

Im zweiten Teil seines Trainings sprach er dann die richtige Bauchatemtechnik bei der Ausführung von Karatetechniken an, wobei er dies ebenfalls mit einer mit einer schnellen Kontraktion der Bauchmuskulatur verband, dem von Kase Sensei immer erwähnten "Tanden-Power". Schnelles Ausatmen in Verbindung mit einer sehr schnellen Kontraktion der Bauchmuskulatur war das Ziel dieses zweiten Teils, um dann in der Lage zu sein, explosionsartige Techniken ausführen zu können. Sensei Pascal machte aber immer wieder darauf aufmerksam, dass man nur aus einer absolut entspannten Körperhaltung schnelle und dynamische Techniken ausführen kann.

Auch hier wurde wieder zusammen mit einem Partner geübt. Der eine Partner ließ sich mit den Fingerspitzen des anderen Partners tief in den Bauch drücken, um diese dann möglichst schnell, wenn nicht sogar blitzartig durch Ausatmen mit gleichzeitiger Kontraktion der Bauchmuskulatur wieder hinauszudrücken.

Sensei Pascal beim Test der Bauchatmung

Dass Pascal auch auf andere Art und Weise die
Bauchmuskeln testen kann, zeigt sich hier... autsch :-)

Wer gedacht hatte, dass diese Einheit ein "lockeres und entspannendes Training am frühen Morgen zum Wachwerden" sein sollte, hatte sich getäuscht. Zugegeben, die Einheit war körperlich weniger anstrengend, jedoch forderte sie ein Höchstmaß an Konzentration hinsichtlich der auszuführenden Atemtechniken und des richtigen Einsatzes der Energie aus dem Tanden heraus.

Zweite Einheit: Sensei Jim Martin (Schottland)

Die zweite Trainingseinheit wurde dann von Sensei Jim Martin aus Schottland abgehalten.

Sein Thema war das Bunkai der Kata Gojushiho-Dai. Zunächst übten wir alle den Ablauf des folgenden Bunkai als Kihon, bevor wir dann zusammen mit einem Partner diese Techniken übten und anwendeten.

Das Bunkai von Sensei Jim zeigte sehr viele Möglichkeiten auf, in welchen Distanzen gekämpft werden kann. Vom Distanzangriff über den Infight bis zu Wurftechniken hatte Jim in sein Bunkai alles integriert. Es ging mehr um Effektivität als um die Schönheit der Technik. Lediglich der Bodenkampf blieb aus.

Der Mae-Geri in der Anfangsphase der Kata geht hier gedan

Sensei Jim mit Ansatz zum Armhebel...

...der Gegner ist jetzt chancenlos

Und wieder ein Konterangriff in die empfindlichen Stellen des Gegners... autsch

Das Bunkai war geprägt von harten, direkten Kontertechniken, vor allem im Gedan-Bereich. Auch den Infight ließ Jim Martin in seinem Bunkai nicht aus.

Auch der Angreifer war gefordert bei den Anwendungen mitzudenken. Jim beschränkte sich nicht auf den üblichen "einzelnen Zuki- oder Keri-Angriff", sondern er erwartete vom Angreifer auch, dass dieser eine Kombination schlug oder aber auch den ersten Konter des Verteidigers abwehrte, um dann direkt seinerseits wieder anzugreifen. Dadurch wurde dieses Bunkai-Training nicht nur zu einer körperlich, sondern auch mental anstrengenderen Einheit.

Nach diesen beiden Einheiten am Samstag war dann erst mal Relaxen angebracht.

Gegen 19:00 Uhr wurde dann zum Gala-Dinner eingeladen, bei dem viel gelacht und geredet und auch getanzt wurde. Zum Gala-Abend wurde die Sängerin Alexandra vom Chairman des ESA Mike Fedyk eingeladen, die den Abend musikalisch begleitete.

Bilder von der Party. Während des Dinners gelang es Gerhard die Stimmung des Abends an den einzelnen Tischen mit der Kamera einzufangen.

Die Sängerin, die ein sehr charmantes Lächeln für uns übrig hatte... :-)

Auch Sandra stand diesem Lächeln in nichts nach...

Der Tisch des Shihankai und des Executive Committee

Impressionen des Dinners

Impressionen des Dinners

Impressionen des Dinners

Impressionen des Dinners

Impressionen des Dinners

Dritte Einheit: Sensei Velibor Dimitrijevic (Griechenland)

Die dritte Einheit des Gasshukus wurde von Sensei Velibor Dimitrijevic aus Griechenland abgehalten. Auch er beschäftigte sich mit Atmung, Kime und stabilen Stellungen.

Die starke Position entstehe durch eine natürliche Haltung der Beine, nicht durch eine verkrampfte Position:

Die "unnatürliche" Position

Eine natürliche entspannte Haltung im Fudo-Dachi

Sensei Pascal und Sensei Dirk hören den Ausführungen von Sensei Velibor zu

Jedoch unterschied sich seine Einheit von Pascal dahingehend, dass Velibor uns erklärte, wie die Bauchmuskulatur trotz Ein- und Ausatmung angespannt werden kann.

Sensei Velibor mit Haito-Uchi

Die innere Spannung im Tanden

Dazu hatte er sich ein Kihon ausgedacht, bei dem zunächst ohne Armtechniken gearbeitet wird. Die Konzentration liegt hierbei zunächst nur auf der richtigen Atmung bei der Schrittbewegung. Später kamen offene und geschlossene Handtechniken sowie Fußtechniken hinzu.

Ein weiteres Ziel von Velibors Training war, uns die Entwicklung des Kime bei der Ausführung von Hente-Techniken in Verbindung mit der Atmung näher zu bringen, d. h. auf ein Ausatmen mehrere Techniken mit dem gleichen Arm auszuführen, ohne zwischendrin einzuatmen. Dadurch wird der Energiefluss bei der Ausführung der Hente-Techniken unterbrochen.

Ebenfalls eine Trainingseinheit, die ein hohes Maß an Konzentration forderte.

Vierte Einheit: Sensei Pascal Lecourt (Frankreich)

Die letzte Trainingseinheit gab Sensei Pascal Lecourt aus Frankreich. Sein Thema war die Kata Nijushiho. Zunächst übten wir diese Kata in den uns von Kase Sensei bekannten Formen: Omote, Ura, Go und Go-Ura, was doch bei dem ein oder anderen zu einiger Verwirrung führte... :-)

Als Überleitung zum Bunkai zeigte Sensei Pascal Lecourt zunächst die vom Angreifer erforderliche Angriffssequenz als Kihon, bevor er uns diese dann als Anwendung demonstrierte. Sein Bunkai war ebenfalls kampfbetont, wobei einige Anwendungen für manchen Karateka ungewohnt waren und entsprechend noch intensiv trainiert werden müssen. Wie auch bei Jim Martin war der Angreifer hier ebenfalls gefordert, mit Block- und Kontertechniken zu arbeiten.

Konter Age-Empi

Angriff mit Nukite zum Hals

Hier die Anwendung des Sukui-Uke gegen einen Mae-Geri

Hier die Anwendung des Sukui-Uke gegen einen Mae-Geri

Eine andere Möglichkeit ist das Ableiten des Mae-Geri

Anwendung des Mawashi-Uke nach dem Morote-Zuki am Ende der Kata

Diese Art des Bunkai-Trainings erfordert ein hohes Maß an Konzentration für beide Seiten, zeigt jedoch, dass Bunkai kein starres und einseitiges Training ist sondern dazu dient, die Prinzipien der Kata und des Kampfes zu vermitteln

Auffallend positiv war, dass alle Trainer während des Partnertrainings in ihren Trainingseinheiten den Übenden mit Rat und Tat zur Seite standen. Dies half ungemein zum besseren Verständnis der gezeigten Trainingsinhalte und motivierte dann doch den ein oder anderen Karateka erneut.

Jeder der vier Senseis versuchte auf seine Art und Weise, sein Verständnis des Karate von Kase Sensei zu vermitteln. Es liegt grundsätzlich an jedem Karateka selbst, was er oder sie für sich von einem solchen Lehrgang mit nach Hause nimmt. Für jeden war etwas dabei und jeder konnte zahlreiche neue Ideen mitnehmen oder aber hatte nun Dinge verstanden, die zuvor vielleicht noch im Dunklen verborgen lagen.

Gruppenbild mit allen Nationen!

Nach dem Training war dann leider große Aufbruchsstimmung, da viele der Teilnehmer direkt wieder zu ihrem Flieger mussten. Daher war wenig Zeit, noch ein paar Gespräche zu führen.

Die nächste Gasshuku des KSK wird 2007 in Finnland stattfinden.

OSS Oliver Sprinz, Ludwigshafen

 


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